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Bosch in Deutschland

Der europäische Green Deal – Erfolg für Klima, Mensch und Wirtschaft?

Bosch-Geschäftsführer Stefan Hartung: „Nicht auf einen Weg beschränken, sondern technologieoffen bleiben“

Viele Windräder auf einer saftig grünen Berglandschaft

Mit dem Green Deal hat die Europäische Kommission einen Fahrplan für ein klimaneutrales Europa bis 2050 vorgelegt. Ziel ist es, den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig zu gestalten. Dafür sind weitreichende und vielfältige Maßnahmen erforderlich – auch in den Feldern Mobilität und Industrie.

Die stärkere Berücksichtigung ökologischer Ziele wird Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen betreffen. Wie kann der Wandel fair und zugleich zielführend gestaltet werden? Wie kann es gelingen, soziale, wirtschaftliche und ökologische Interessen abzugleichen, um gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden? Diese Fragen diskutierte Geschäftsführer Stefan Hartung, Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions (BBM), als Gastgeber einer virtuellen Veranstaltung mit Lisa Badum (MdB), Klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, und Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der Gewerkschaft IG Metall. Bosch sucht regelmäßig den Austausch mit Politik, Gewerkschaften und Gesellschaft, um seine Position in Bezug auf eine nachhaltige Mobilität zu vertreten. Moderiert wurde das einstündige Gespräch von Christian Hochfeld, Geschäftsführer der Initiative Agora Verkehrswende, die sich für den Klimaschutz im Verkehr einsetzt.

Stefan Hartung setzte sich in dem Gespräch erneut entschlossen für eine technologische Offenheit bei den eingesetzten Lösungen ein – die Bosch konsequent verfolgt. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Ziele des Green Deals effektiv und dauerhaft erreicht werden: „Die regulatorischen Vorgaben im Rahmen des Green Deal müssen technisch und wirtschaftlich realisierbar bleiben, sonst droht ein industrieller und letztlich auch sozialer Strukturbruch.“ Ein abruptes Ende des Verbrenners etwa schließe nicht nur technologische Möglichkeiten aus, sondern gefährde auch Arbeitsplätze. „Klimaschutz braucht jeden Antrieb“, so Hartung. Das Ende fossiler Treibstoffe sei wichtig, bedeute aber für Bosch nicht das Ende des Verbrenners. „Man sollte nicht ohne zwingenden Grund Dinge tun, die zu unnötiger Härte führen, aber gleichzeitig wenig zur Senkung der CO₂-Emissionen beitragen“, gab Hartung zu bedenken.

Wann wird der Green Deal zum Erfolg?

Die Teilnehmer der digitalen Veranstaltung: Moderator Christian Hochfeld, Direktor der Agora Verkehrswende; Bosch-Geschäftsführer Stefan Hartung; MdB Lisa Badum, Klimapolitische Sprecherin, Bündnis 90/Die Grünen; Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender IG Metall (im Uhrzeigersinn)
Die Teilnehmer der digitalen Veranstaltung: Moderator Christian Hochfeld, Direktor der Agora Verkehrswende; Bosch Geschäftsführer Stefan Hartung; MdB Lisa Badum, Klimapolitische Sprecherin, Bündnis 90/Die Grünen; Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender IG Metall (im Uhrzeigersinn).

Bosch-Geschäftsführer Stefan Hartung: „Für mich ist die entscheidende Frage, wie der Green Deal für die Wirtschaft insgesamt zum Erfolg werden kann. Sehr viele Unternehmen leisten einen Beitrag dazu, Bürgerinnen und Bürgern in der EU bedürfnisorientierte und erschwingliche Mobilität bereitzustellen und den Warentransport zu ermöglichen. Jeder hat klar erkannt, dass der Mobilitätssektor im Jahr 2050 das Ziel von Null Emissionen erreichen muss. Das ist eine gewaltige Aufgabe. Aber wir müssen als EU auch volkswirtschaftlich leistungsfähig bleiben, um Nachhaltigkeit dauerhaft zu sichern. Und die Transformation muss sozialverträglich sein, weil wir sonst den Rückhalt bei den Menschen verlieren.“

IG-Metall-Vorsitzender Jörg Hofmann: „Der soziale Erfolg oder Misserfolg des Green Deal zeigt sich in der Region, wo die Menschen leben und arbeiten. Gelingt es uns, die Transformation so zu gestalten, dass am Ende nicht der Wohlstand in Regionen gefährdet ist, sondern unter dem Green Deal auch dort noch Wohlstand herrscht, wo es einen extremen Anpassungsdruck gibt, was die industrielle Struktur angeht? Aus meiner Sicht ist das ein unbearbeitetes Feld. Ich würde daher immer darauf drängen, dass diese Fragen geklärt werden.“

Grünen-Politikerin Lisa Badum: „Damit der Green Deal gelingt, müssen wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen. Abrupte Preisbrüche sind nicht gut und ein abrupter Strukturwandel, der die Automobilkonzerne vor zu große Herausforderungen stellt, ebenso wenig. Deshalb sind wir Grüne für eine Mischung aus Preisgestaltung und Ordnungsrecht. CO₂-Bepreisung kann einen Beitrag leisten, aber abrupte Preisbrüche sind im Verkehrssektor schwierig.“

Ist Technologieoffenheit der richtige Weg hin zu einem klimaneutralen Europa?

Ein Auto wird an einer Tankstelle mit e-Fuels betankt.

Stefan Hartung: „Wir können heute noch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, wie genau wir das Klimaziel 2050 erreichen werden. Daher sollten wir auch keinen gangbaren Weg ausschließen, sondern technologieoffen bleiben. Nur so bewahren wir uns Alternativen für den Fall, dass wir in Sackgassen laufen. Einen Verbrennungsmotor kann man eben auch mit nachhaltigen Kraftstoffen betreiben. Entscheidend ist nicht die Antriebstechnik, sondern CO₂-freie Energieträger.“

Jörg Hofmann: „Wir brauchen Technologieoffenheit, aber wir brauchen auch eine Entschlossenheit. Das heißt für den Pkw aus meiner Sicht sehr eindeutig, dass auf Elektromobilität gesetzt wird. Ich kenne keine andere marktfähige Technologie, die aktuell zur Verfügung steht und uns erlaubt, in den kommenden acht Jahren, also während einer Fahrzeuggeneration, die Zielgrößen des Green Deal zu erreichen. Aber wir brauchen trotzdem Technologieoffenheit, da wir eben nicht nur Pkws haben. Wir brauchen Lösungen für den Schwerlastverkehr, wir brauchen Lösungen für die maritime Wirtschaft und für die Luftfahrtindustrie. Natürlich spielen da die Brennstoffzelle und synthetische Kraftstoffe eine Rolle.“

Lisa Badum: „Wir müssen immer von den Bürgerinnen und Bürgern ausgehen, die jetzt ihre Mobilitätsentscheidung treffen. Ein Auto behalte ich vielleicht zehn Jahre lang. Aktuell kann ich an der Tankstelle keinen Liter synthetischen Kraftstoff einkaufen. Das heißt, ich kann aktuell nur die Entscheidung treffen, ob ich mir ein fossiles Auto, einen Hybrid oder ein emissionsfreies Elektroauto anschaffe. Wir als Politik müssen da Orientierung geben und nicht auf Technologien verweisen, die vielleicht erst in zehn Jahren verfügbar wären. Das finde ich unverantwortlich. Technologieoffenheit ja, aber es muss eben emissionsfreie Technologie sein.“

Was würde ein Verbrenner-Aus im Jahr 2030 bedeuten?

Eine Photovoltaikanlage glänzt im Sonnenschein.

Stefan Hartung: „Transformation braucht Zeit. Und bis 2050 ist das auch nicht das Problem. In dreißig Jahren kann man viel stemmen. Wenn wir allerdings im Jahr 2030 ein Verbot für Verbrenner aussprechen, wird diese Transformation gefährdet, und es wird zu Brüchen kommen und viele Arbeitsplätze werden verloren gehen – obwohl das nicht sein müsste.“

Lisa Badum: „Wir haben das Verbrenner-Aus 2030 in unser Wahlprogramm geschrieben. Wir müssen den Leuten, die in ein Auto investieren wollen, eine Planungssicherheit geben – und wir können nicht auf Technologien verweisen, die vielleicht erst in zehn Jahren verfügbar wären.“

Stefan Hartung: „Wir müssen uns ernsthaft mit alternativen Energieträgern und Kraftstoffen beschäftigen. Wir werden sie dringend brauchen. Selbst, wenn wir neue Verbrenner in Europa verbieten würden, fahren 2030, 2040 und 2050 noch erhebliche Mengen davon auf der Straße. Die Fahrzeuge von 2030 sind zu einem erheblichen Teil heute bereits gebaut. Das Durchschnittsalter eines Autos in Deutschland ist zehn Jahre. Für den Betrieb der Flotte, die wir jetzt und in den nächsten zehn Jahren bauen, brauchen wir alternative Kraftstoffe.“

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