Neustart in der Fremde
Integration von Flüchtlingen bei Bosch
Waqas Rehman war mitten im Studium, als er von Pakistan nach Deutschland fliehen musste. Durch ein Ausbildungsprogramm von Bosch konnte er auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen und sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen.
„Als ich hier angekommen bin, habe ich kein Wort Deutsch gesprochen“, sagt Waqas Rehman. Heute merkt man davon nichts mehr. Der 24-jährige Pakistani spricht die Sprache seiner neuen Heimat nahezu fließend – und das, obwohl er nie einen Sprachkurs besucht hat. „Durch meine Ausbildung bei Bosch habe ich Deutsch gelernt“, erzählt er und verschweigt bescheiden, dass dafür auch eine gehörige Portion Fleiß nötig war.
Aus der Heimat vertrieben
Eigentlich hatte Waqas Pakistan gar nicht verlassen wollen. Er wuchs mit seinen drei Schwestern bei den Eltern in Lahore auf, der zweitgrößten Stadt des Landes. Nach der Schule begann er ein IT-Studium an der dortigen Universität. Als er im dritten Semester war, erschütterte ein Mord an einem gemischtreligiösen Ehepaar die Region. Daraufhin brachen Unruhen zwischen den Anhängern verschiedener Religionen aus. Waqas rief in seinem Umfeld zu Besonnenheit auf und weigerte sich, den Kontakt zu andersgläubigen Studienfreunden abzubrechen. Dadurch gerieten er und seine Familie ins Visier von Extremisten. Als die Lage für Waqas immer gefährlicher wurde, musste er aus Pakistan fliehen.
Er reiste zunächst über die Türkei nach Griechenland und hielt sich dort mit Handy-Reparaturen über Wasser. Das Wissen dafür hatte Waqas als Jugendlicher beim Tüfteln erworben: „Mein Vater hat einen eigenen Handy- und Laptopladen in Lahore. Ich habe oft an alten Geräten herumgebastelt und sie repariert“, erzählt er. Ein halbes Jahr später zwang ihn sein Status als illegaler Flüchtling jedoch, das Land zu verlassen. Deshalb reiste er im Sommer 2013 über Ungarn nach Deutschland und kam in einem Stuttgarter Flüchtlingsheim unter.
Praktikum schenkt Perspektive
Es folgten zwei lange Jahre. „Ich wollte gerne arbeiten oder einen Deutschkurs besuchen, durfte das aufgrund bürokratischer Hürden aber nicht“, berichtet Waqas. Mit Hilfe einer Sozialarbeiterin bewarb er sich schließlich um eine Praktikumsstelle bei Bosch. Es war eine von fast 1.000 Qualifizierungsmaßnahmen, die Bosch seit 2016 durchgeführt hat, um Flüchtlingen bei der Integration zu helfen und sie für eine Ausbildung fit zu machen. Nach drei Tagen Probearbeit im Werk Feuerbach erhielt Waqas die Zusage. „Ich habe mich riesig gefreut. Endlich konnte ich etwas Sinnvolles tun und Deutsch lernen.“
Seine Erfolgsgeschichte ging weiter: Als das Praktikum nach zehn Monaten zu Ende ging erhielt Waqas einen Ausbildungsplatz als Fachkraft für Metalltechnik im Werk Feuerbach. Die Ausbildung knüpfte nahtlos an das vorangegangene Training an und zwei Jahre später hielt Waqas sein Abschlusszeugnis in der Hand – mit überdurchschnittlich guten Noten. Im Sommer 2018 bekam er einen unbefristeten Anstellungsvertrag. „Als ich meinen Eltern am Telefon erzählte, dass ich von Bosch übernommen wurde, haben sie sich sehr gefreut“, sagt er.
Fast 1 000
der nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge nahmen seit 2016 an unterschiedlichen Qualifizierungsmaßnahmen von Bosch teil.
Heute arbeitet Waqas in der Dieselpumpen-Fertigung im Werk Feuerbach. Dort wird er als Facharbeiter für verschiedene Tätigkeiten eingesetzt. Anfangs sei er noch etwas schüchtern gewesen, weil er sich sprachlich unsicher gefühlt habe, erzählt er. „Doch die Kollegen sind rasch auf mich zugegangen und haben mit mir geredet. Da habe ich gemerkt, dass es gar nicht schlimm ist, wenn man beim Sprechen mal etwas falsch macht.“ Manche Feinheiten des Schwäbischen erschlossen sich ihm jedoch erst nach einer Weile. „Wenn ich meinen Meister anfangs gefragt habe, ob an meinem Werkstück etwas falsch sei, hat er oft mit ‚Noi‘ geantwortet. Das bedeutet ‚Nein, alles in Ordnung‘ aber ich dachte, er will, dass ich es noch einmal neu anfertige“, erzählt er schmunzelnd.
Bis heute kann Waqas nicht in sein Heimatland zurückkehren und möchte in Deutschland bleiben. Seine Familie und die dortigen Freunde vermisst er dennoch oft, auch, weil er in Deutschland nur wenig Menschen kennt. Deshalb freut er sich, wenn seine Bosch-Kollegen die Freizeit mit ihm verbringen. Dann wird zusammen gegrillt oder ein Spiel des VfB Stuttgart im Stadion besucht. „Ich habe auch schon ein paar Kollegen zu mir nach Hause eingeladen und für sie pakistanisch gekocht“, erzählt Waqas. Er selbst hat in der Bosch-Kantine ein neues Leibgericht entdeckt: „Ich mag Käsespätzle und Kartoffelsalat – die sind richtig lecker.“